"Junge Welt", 05.12.2011 Trotz Gleichheitsdemagogie betreibt Ungarns Premier Orban dieselbe Kahlschlagspolitik wie seine Vorgänger. Doch Kurs des wirtschaftlichen Nationalismus führt in den Bankrott Die ungarische Rechtsregierung von Viktor Orban steht ökonomisch mit dem Rücken zur Wand. Rund drei Jahre nach der ersten schweren Finanzkrise von 2008, in deren Verlauf Budapest mittels eines 20 Milliarden Euro umfassenden Kreditpaketes der EU und des IFW vor dem Staatsbankrott bewahrt werden mußte, bedroht die rapide ansteigende Zinslast erneut die Zahlungsfähigkeit des Landes. Die wirtschaftlichen Aussichten in Ungarn trüben sich ebenfalls weiter ein: Die Regierung mußte ihre Wachstumsprognose für 2012 von 1,5 Prozent auf 0,5 Prozent revidieren, die OECD geht sogar von einer Rezession von 0,6 Prozent im kommenden Jahr aus. Die Arbeitslosigkeit ist zwischen August und Oktober offiziell bereits auf 10,8 Prozent angestiegen. Am 29. November entschloß sich die ungarische Zentralbank, trotz dieser miesen Wirtschaftsdaten den Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf 6,5 Prozent anzuheben, um so den Kursverfall des Forint und den Anstieg der Zinsen auf Staatsanleihen aufzuhalten. Seit August ist der Forint gegenüber dem Euro um 16 Prozent abgerutscht. Die genannte Maßnahme verpuffte an den Märkten, da die Renditen der Gläubiger zehnjähriger ungarischer Staatsanleihen kurz danach auf knapp zehn Prozent anstiegen. Wenige Tage zuvor hatte die Abwertung der Kreditwürdigkeit Ungarns durch die Ratingagentur Moodys auf den Ramschstatus »Ba1« zur weiteren Verschärfung der Finanzlage des hoch verschuldeten Landes beigetragen. Ungarn weist die höchste Staatsverschuldung Mittelosteuropas mit 82 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf. Die politische Führungskaste in Budapest reagierte auf die Abstufung mit unverhohlener Empörung. Ungarns »Minister für nationale Wirtschaft«, György Matolcsy, bezeichnete sie als »völlig grundlos« und einen weiteren »Beweis für die Attacken der Finanzmärkte auf Ungarn«. Sollte noch eine weitere der großen drei Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit Ungarns als schlechter bewerten, hätte dies gravierende Folge für die Republik: Dann dürften institutionelle Anleger die ungarischen Staatsanleihen nicht mehr kaufen.
Antisoziale Kontinuitäten
Antisoziale Kontinuitäten
Antisoziale Kontinuitäten
"Junge Welt", 05.12.2011 Trotz Gleichheitsdemagogie betreibt Ungarns Premier Orban dieselbe Kahlschlagspolitik wie seine Vorgänger. Doch Kurs des wirtschaftlichen Nationalismus führt in den Bankrott Die ungarische Rechtsregierung von Viktor Orban steht ökonomisch mit dem Rücken zur Wand. Rund drei Jahre nach der ersten schweren Finanzkrise von 2008, in deren Verlauf Budapest mittels eines 20 Milliarden Euro umfassenden Kreditpaketes der EU und des IFW vor dem Staatsbankrott bewahrt werden mußte, bedroht die rapide ansteigende Zinslast erneut die Zahlungsfähigkeit des Landes. Die wirtschaftlichen Aussichten in Ungarn trüben sich ebenfalls weiter ein: Die Regierung mußte ihre Wachstumsprognose für 2012 von 1,5 Prozent auf 0,5 Prozent revidieren, die OECD geht sogar von einer Rezession von 0,6 Prozent im kommenden Jahr aus. Die Arbeitslosigkeit ist zwischen August und Oktober offiziell bereits auf 10,8 Prozent angestiegen. Am 29. November entschloß sich die ungarische Zentralbank, trotz dieser miesen Wirtschaftsdaten den Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf 6,5 Prozent anzuheben, um so den Kursverfall des Forint und den Anstieg der Zinsen auf Staatsanleihen aufzuhalten. Seit August ist der Forint gegenüber dem Euro um 16 Prozent abgerutscht. Die genannte Maßnahme verpuffte an den Märkten, da die Renditen der Gläubiger zehnjähriger ungarischer Staatsanleihen kurz danach auf knapp zehn Prozent anstiegen. Wenige Tage zuvor hatte die Abwertung der Kreditwürdigkeit Ungarns durch die Ratingagentur Moodys auf den Ramschstatus »Ba1« zur weiteren Verschärfung der Finanzlage des hoch verschuldeten Landes beigetragen. Ungarn weist die höchste Staatsverschuldung Mittelosteuropas mit 82 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf. Die politische Führungskaste in Budapest reagierte auf die Abstufung mit unverhohlener Empörung. Ungarns »Minister für nationale Wirtschaft«, György Matolcsy, bezeichnete sie als »völlig grundlos« und einen weiteren »Beweis für die Attacken der Finanzmärkte auf Ungarn«. Sollte noch eine weitere der großen drei Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit Ungarns als schlechter bewerten, hätte dies gravierende Folge für die Republik: Dann dürften institutionelle Anleger die ungarischen Staatsanleihen nicht mehr kaufen.