"Neues Deutschland", 27.08.2011 Polens größte Shopping-Malls Wirken oftmals wie monströs-monumentale Objekte aus einer anderen Welt. Diese Kathedralen des Kapitals verharren durchweg in feindlicher Beziehungslosigkeit zu ihrer urbanen Umgebung, sie sind gegenüber der Außenwelt abgeschirmt und nach innen gerichtet – obwohl sie doch die Massen anziehen sollen. Was die Massen tatsächlich anzieht, ist die Illusion der heilen Konsumwunderwelt innerhalb der Malls, die auch in dieser Hinsicht im krassen Kontrast etwa zu den Plattenbausiedlungen stehen, an deren Peripherie sie oftmals errichtet wurden. Der Besucher findet unter seinen Füßen nicht mehr die zersprungenen Betonplatten seiner Siedlung, sondern auf Hochglanz polierten Marmor, während um ihn herum in Dutzenden und gar Hunderten kleinerer oder größerer Geschäfte und Boutiquen die Marken- und Warenwelt ihre illusionäre Vielfalt entfaltet. Das Konzept der Shopping-Malls, teilweise ins gigantische ausartender Einkaufszentren, unter deren zumeist überglasten Dächern eine schale und sterile Vorspiegelung öffentlichen Lebens aufgeführt wird, fand nach der Systemtransformation auch in Osteuropa rasch Verbreitung. Die durch die Schocktherapie in Polen ausgelöste Desintegration des zentralistisch organisierten und staatlich kontrollieren Einzelhandels beförderte diese Tendenzen zusätzlich, da keine gewachsenen Einzelhandelsstrukturen gegeben waren, die einem Verdrängungsprozess ausgesetzt gewesen wären. Die Mall-Berteiber wie auch westliche Einzelhandelskonzerne stießen bei ihrer Ostexpansion gewissermaßen ins Nichts, in eine Terra Incognita vor. Zudem hat die mit der Systemtransformation einhergehende Deindustrialisierung in vielen polnischen Städten Industriebrachen zurückgelassen, auf denen auch innerstädtische Malls erreichtet werden konnten.
Die Kathedralen des Kapitals
Die Kathedralen des Kapitals
Die Kathedralen des Kapitals
"Neues Deutschland", 27.08.2011 Polens größte Shopping-Malls Wirken oftmals wie monströs-monumentale Objekte aus einer anderen Welt. Diese Kathedralen des Kapitals verharren durchweg in feindlicher Beziehungslosigkeit zu ihrer urbanen Umgebung, sie sind gegenüber der Außenwelt abgeschirmt und nach innen gerichtet – obwohl sie doch die Massen anziehen sollen. Was die Massen tatsächlich anzieht, ist die Illusion der heilen Konsumwunderwelt innerhalb der Malls, die auch in dieser Hinsicht im krassen Kontrast etwa zu den Plattenbausiedlungen stehen, an deren Peripherie sie oftmals errichtet wurden. Der Besucher findet unter seinen Füßen nicht mehr die zersprungenen Betonplatten seiner Siedlung, sondern auf Hochglanz polierten Marmor, während um ihn herum in Dutzenden und gar Hunderten kleinerer oder größerer Geschäfte und Boutiquen die Marken- und Warenwelt ihre illusionäre Vielfalt entfaltet. Das Konzept der Shopping-Malls, teilweise ins gigantische ausartender Einkaufszentren, unter deren zumeist überglasten Dächern eine schale und sterile Vorspiegelung öffentlichen Lebens aufgeführt wird, fand nach der Systemtransformation auch in Osteuropa rasch Verbreitung. Die durch die Schocktherapie in Polen ausgelöste Desintegration des zentralistisch organisierten und staatlich kontrollieren Einzelhandels beförderte diese Tendenzen zusätzlich, da keine gewachsenen Einzelhandelsstrukturen gegeben waren, die einem Verdrängungsprozess ausgesetzt gewesen wären. Die Mall-Berteiber wie auch westliche Einzelhandelskonzerne stießen bei ihrer Ostexpansion gewissermaßen ins Nichts, in eine Terra Incognita vor. Zudem hat die mit der Systemtransformation einhergehende Deindustrialisierung in vielen polnischen Städten Industriebrachen zurückgelassen, auf denen auch innerstädtische Malls erreichtet werden konnten.