"Junge Welt", 03.06.2010 Verschulden bis zum Bankrott oder sparen bis zur Depression? Angeschlagene Industriestaaten haben allenfalls die Wahl zwischen Pest und Cholera Wieder einmal hat eine Ratingagentur Spaniens Kreditwürdigkeit herabgestuft. Diesmal war es Fitch, die Madrid zu Wochenanfang die Bestnote »AAA« aberkannte. Die Begründung ließ aufhorchen: Aufgrund der drastischen Sparprogramme, mit denen die Regierung die hohe Neuverschuldung senken wolle, drohe der spanischen Volkswirtschaft ein weiterer konjunktureller Abschwung, so Fitch. Bereits vor rund einem Monat hatte Standard & Poor’s (S&P) die Bonität Spaniens in zwei Schritten auf die drittbeste Note »AA« gesenkt. S&P begründete dies jedoch mit der exorbitanten Kreditaufnahme des Landes. Die Regierung müsse »weitere Sparmaßnahmen ergreifen«, um die Verschuldungsdynamik in den Griff zu bekommen, zitierte Spiegel online die Ratingagentur Ende April. Ähnliche Forderungen nach einem umfassenden Sparprogramm erhob auch Brüssel im Rahmen des 750 Milliarden Euro umfassenden »Rettungsschirmes« für die Euro-Zone. Spaniens Regierende folgten diesen Weisungen. Nun sieht sich Madrid jedoch mit der von Fitch formulierten Kritik konfrontiert, dadurch die Wirtschaftserholung abzuwürgen. Die Herangehensweise der Ratingagenturen spiegelt eine fundamentale Aporie – einen unlösbaren Widerspruch – kapitalistischer Krisenpolitik wider, die im Endeffekt nur die Wahl zwischen zwei Verlaufsformen hat. Die Politik kann einerseits die Staatsverschuldung immer höher treiben, um durch Konjunkturprogramme den wirtschaftlichen Absturz zu verhindern. Dieser Ansatz, der zumeist mit einer expansiven Geldpolitik einhergeht, führt letzten Endes zu Inflation oder Staatsbankrott. Andererseits können Regierungen versuchen, die staatlichen Schuldenberge durch drakonische Kürzungen abzubauen. Dies jedoch bewirkt einen ökonomischen Einbruch, der auch zu erheblicher Verelendung in der betroffenen Gesellschaft führt. Fazit: Ein Brechen der Krisendynamik ist mit dem Politikinstrumentarium, das den Regierungen der kapitalistischen Staaten zur Verfügung steht, nicht möglich.
Krisenpolitik in der Falle
Krisenpolitik in der Falle
Krisenpolitik in der Falle
"Junge Welt", 03.06.2010 Verschulden bis zum Bankrott oder sparen bis zur Depression? Angeschlagene Industriestaaten haben allenfalls die Wahl zwischen Pest und Cholera Wieder einmal hat eine Ratingagentur Spaniens Kreditwürdigkeit herabgestuft. Diesmal war es Fitch, die Madrid zu Wochenanfang die Bestnote »AAA« aberkannte. Die Begründung ließ aufhorchen: Aufgrund der drastischen Sparprogramme, mit denen die Regierung die hohe Neuverschuldung senken wolle, drohe der spanischen Volkswirtschaft ein weiterer konjunktureller Abschwung, so Fitch. Bereits vor rund einem Monat hatte Standard & Poor’s (S&P) die Bonität Spaniens in zwei Schritten auf die drittbeste Note »AA« gesenkt. S&P begründete dies jedoch mit der exorbitanten Kreditaufnahme des Landes. Die Regierung müsse »weitere Sparmaßnahmen ergreifen«, um die Verschuldungsdynamik in den Griff zu bekommen, zitierte Spiegel online die Ratingagentur Ende April. Ähnliche Forderungen nach einem umfassenden Sparprogramm erhob auch Brüssel im Rahmen des 750 Milliarden Euro umfassenden »Rettungsschirmes« für die Euro-Zone. Spaniens Regierende folgten diesen Weisungen. Nun sieht sich Madrid jedoch mit der von Fitch formulierten Kritik konfrontiert, dadurch die Wirtschaftserholung abzuwürgen. Die Herangehensweise der Ratingagenturen spiegelt eine fundamentale Aporie – einen unlösbaren Widerspruch – kapitalistischer Krisenpolitik wider, die im Endeffekt nur die Wahl zwischen zwei Verlaufsformen hat. Die Politik kann einerseits die Staatsverschuldung immer höher treiben, um durch Konjunkturprogramme den wirtschaftlichen Absturz zu verhindern. Dieser Ansatz, der zumeist mit einer expansiven Geldpolitik einhergeht, führt letzten Endes zu Inflation oder Staatsbankrott. Andererseits können Regierungen versuchen, die staatlichen Schuldenberge durch drakonische Kürzungen abzubauen. Dies jedoch bewirkt einen ökonomischen Einbruch, der auch zu erheblicher Verelendung in der betroffenen Gesellschaft führt. Fazit: Ein Brechen der Krisendynamik ist mit dem Politikinstrumentarium, das den Regierungen der kapitalistischen Staaten zur Verfügung steht, nicht möglich.