"Junge Welt", 10.06.2009 Abwärtsspirale aus Rezession, Erwerbslosigkeit und Verschuldung. Besonders Lettland drohen Staatsbankrott und soziale Verwerfungen Das Baltikum bietet derzeit faktisch die Kulisse eines riesigen realkapitalistischen Krisenexperiments. Wie dramatisch kann die Wirtschaft einbrechen, wie rabiat darf der Sozialabbau ausfallen, bevor die Gesellschaft auseinanderbricht? Insbesondere Lettland setzt hierbei neue Maßstäbe. Anfang Juni korrigierte die Regierung von Ministerpräsident Valdis Dombrovskis ihre Wirtschaftsprognose für das laufende Jahr, die ursprünglich von einem Einbruch des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 14,5 Prozent ausging. Der jüngsten Schätzung zufolge wird Lettlands BIP 2009 um mindestens 18 Prozent schrumpfen. Pessimistische Prognosen gehen sogar von 20 Prozent aus. Dieser ökonomische Zusammenbruch werde laut Regierungsangaben mit einem Haushaltsdefizit von 9,2 Prozent des BIP einhergehen. Damit würde der im Zuge einer Kreditvergabe des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU vereinbarte Grenzwert der Staatsverschuldung von fünf Prozent des BIP weit überschritten. Der lettischen Regierung bleibt nichts anderes übrig, als sich weiterhin um IWF-Gelder zu bemühen. Einem Junkie gleich bettelte Dombrovskis am 3. Juni im US-Nachrichtensender CNBC um die Auszahlung einer weiteren Tranche des 7,5 Milliarden Euro umfassenden Kredits. Die Einigung über die Überweisung von 1,4 Milliarden Euro müsse »in den nächsten Tagen« oder »Anfang nächster Woche« erfolgen, so der Regierungschef damals. Sonst drohe der Staatsbankrott. Eine öffentliche Antwort erhielt Dombrovskis vom EU-Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia erst am Montag. Der forderte Lettland zu weiteren Haushaltskürzungen auf. Ansonsten sehe die EU sich außerstande, die zweite Tranche freizugeben.
Zeitbombe Baltikum
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"Junge Welt", 10.06.2009 Abwärtsspirale aus Rezession, Erwerbslosigkeit und Verschuldung. Besonders Lettland drohen Staatsbankrott und soziale Verwerfungen Das Baltikum bietet derzeit faktisch die Kulisse eines riesigen realkapitalistischen Krisenexperiments. Wie dramatisch kann die Wirtschaft einbrechen, wie rabiat darf der Sozialabbau ausfallen, bevor die Gesellschaft auseinanderbricht? Insbesondere Lettland setzt hierbei neue Maßstäbe. Anfang Juni korrigierte die Regierung von Ministerpräsident Valdis Dombrovskis ihre Wirtschaftsprognose für das laufende Jahr, die ursprünglich von einem Einbruch des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 14,5 Prozent ausging. Der jüngsten Schätzung zufolge wird Lettlands BIP 2009 um mindestens 18 Prozent schrumpfen. Pessimistische Prognosen gehen sogar von 20 Prozent aus. Dieser ökonomische Zusammenbruch werde laut Regierungsangaben mit einem Haushaltsdefizit von 9,2 Prozent des BIP einhergehen. Damit würde der im Zuge einer Kreditvergabe des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU vereinbarte Grenzwert der Staatsverschuldung von fünf Prozent des BIP weit überschritten. Der lettischen Regierung bleibt nichts anderes übrig, als sich weiterhin um IWF-Gelder zu bemühen. Einem Junkie gleich bettelte Dombrovskis am 3. Juni im US-Nachrichtensender CNBC um die Auszahlung einer weiteren Tranche des 7,5 Milliarden Euro umfassenden Kredits. Die Einigung über die Überweisung von 1,4 Milliarden Euro müsse »in den nächsten Tagen« oder »Anfang nächster Woche« erfolgen, so der Regierungschef damals. Sonst drohe der Staatsbankrott. Eine öffentliche Antwort erhielt Dombrovskis vom EU-Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia erst am Montag. Der forderte Lettland zu weiteren Haushaltskürzungen auf. Ansonsten sehe die EU sich außerstande, die zweite Tranche freizugeben.